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  Avantgarde

avantgarde - Diffamierung - Welterbe

Zur Erhaltung der Bauten der Moderne in Russland und Deutschland

Eine Ausstellung zum Erbe der frühen Moderne von Dr. Anke Zalivako in Zusammenarbeit mit der Stiftung Bauhaus Dessau und dem A. V. Schtschussev Architekturmuseum Moskau.
Einführungen: Jörg Haspel (Landesdenkmalamt Berlin), Anke Zalivako (TU Berlin): „Baudenkmale der russischen Avantgarde – Abbruchkandidaten oder Welterbekandidaten?“
Begrüßung: Horst von Bassewit

Die Ausstellung wird unterstützt durch die Hermann Reemtsma Stiftung.

geöffnet bis 30.März 2008
dienstags bis sonntags, 11 bis 18 uhr
eintritt zur Eröffnung frei, danach 2,50 / erm. 1,50

In der sozialen und künstlerischen Aufbruchstimmung nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Sturz der Monarchien bestand ein reger Austausch zwischen avantgardistischen Künstlern und Architekten der beiden jungen republikanischen Staaten. Programmatische Kunstpositionen und Kunstwerke von Wassili Kandinsky, Naum Gabo, El Lissitzky, Kasimir Malevich oder Vladimir Tatlin inspirierten nach 1918 Bau- und Bildkünstler in Deutschland. Die Blütezeit dieser kompromisslosen Moderne war freilich auf beiden Seiten nur von kurzer Dauer. Ihre kühnen Entwürfe und gebauten Visionen kamen einer ästhetischen Revolution gleich, die mit der Weltwirtschaftskrise und dem Machantritt des NS-Faschismus in Deutschland ein frühes Ende nahm. Russische Strömungen der Avantgarde-Architektur kamen fast gleichzeitig unter der stalinistischen Doktrin des „Sozialistischen Realismus“ zum Erliegen – mit ihnen auch die modernen Projekte deutscher Emigranten in der UdSSR. Aus heutiger Sicht lösten die Bauten der Avantgarde in der Sowjetunion bzw. der Moderne in Europa in kürzester Zeit eine Revolutionierung der bestehenden Bautraditionen und die Entwicklung einer innovativen Ästhetik aus. Sie legten im Hinblick auf Konstruktion und Materialien den Grundstein für unsere heutige Bautechnik.

Die Rehabilitierung avantgardistischer und moderner Architekturleistungen, wie sie in Deutschland und Russland im mittleren Drittel des 20. Jahrhunderts weitgehend verfemt waren, hat in der internationalen Fachwelt bereits mit dem Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 eingesetzt. Seitdem sind in vielen Ländern Bauwerke und Architekturensembles der Zwischenkriegsmoderne als Denkmale gesetzlich geschützt und sogar vorbildlich restauriert worden. Architektur-Ikonen der Avantgarde wie das Haus Tugendhat in Brünn (1928-30) von Ludwig Mies van der Rohe in Tschechien und das Haus Schröder in Utrecht (1923-1924) von Gerrit Rietveld in den Niederlanden oder die Bauhausstätten in Weimar und Dessau sowie die Zeche Zollverein in Deutschland sind inzwischen sogar als Monumente der Modernen Bewegung in die UNESCO-Welterbeliste eingetragen worden. Beispiele aus Russland, das nach 1917 als Mutterland der architektonischen Avantgarde gelten durfte und dessen progressive Baukünstler international Aufmerksamkeit erregten, sind auf dieser Liste noch nicht vertreten.

Die für die Ausstellung ausgewählten Beispielbauten aus Deutschland und Russland verdeutlichen deren Qualität, zeigen aber gleichzeitig auch ihre Gefährdung durch Umbauten oder Vernachlässigung. Es werden ebenso erfolgreiche und denkmalgerechte Sanierungen vorgestellt.

Aufgrund der Bedrohung dieses gemeinsamen kulturellen Erbes und anlässlich des alljährlichen Internationalen Denkmaltages (World Monument Day) am 18. April führten verschiedene internationale Organisationen und die Stadt Moskau 2006 die Konferenz “Heritage at Risk. Preservation of 20th Century Architecture and World Heritage” in Moskau durch, bei der die Wanderausstellung erstmals gezeigt wurde. Anstelle eines Kataloges liegt das 2007 erschienene ICOMOS Sonderheft „ Heritage at Risk. The Soviet Heritage and European Modernism“ vor.