Peter Michael Hamel in der Reihe Inspiration - wie kommt die Kunst in den Kopf?
Montag, 21. Mai 2012, 19 Uhr
Peter Michael Hamel
Vortrag und Pianoperformance
in der Reihe
Inspiration - wie kommt die Kunst in den Kopf?
PREPAREDPIANOPERFORMANCE
Experimentelle Musik
Zwischen Komposition und Improvisation
von und mit PeterMichaelHamel in memoriam
John Cage (1912-1992)
anschl. Vortrag:
EineQuellederInspiration:diemusikalischeImprovisation
Eintritt: 10,- / erm. 7,-
Die Reihe wird unterstützt durch die
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Die Wiederkehr des Begriffs Inspiration für die geistige und künstlerische Tätigkeit ist eine Tatsache, die in der ästhetischen Debatte noch nicht wirklich wahrgenommen worden ist. Man kann sagen, dass die Inspiration in den Köpfen herumgeistert. Das ist kein Kalauer, sondern beschreibt lediglich ein vages Gefühl. Tatsache ist jedenfalls, dass die Zeit rationalistischer Konzepte ihren Höhepunkt überschritten hat. Der Künstler ist nicht mehr (oder nicht mehr allein) der Maschinist, der einen komplexen Apparat zu bedienen weiß und einem festen Programm folgt (wie es in der Bildenden Kunst und der Musik oftmals der Fall war),sondern er tritt uns wieder als das schaffende, schöpferische Subjekt vor Augen. Inspiration als Ereignis ist ihm nicht mehr fremd. Aber noch ist völlig unklar, ob damit eine Renaissance womöglich kunstreligiöser Vorstellungen einhergeht. Man muss zunächst Vorsicht walten lassen, weil die Künstler einerseits oft allergisch sind gegen quasiideologische Festlegungen; weil sie andererseits, sonst wären sie nicht Künstler, keine Meister des Begriffs sind.
Die Fragen, die unsere Reihe aufwerfen und vermutlich nicht immer beantworten wird, lauten etwa: Wie kommt die Kunst in den Kopf (auf die Bühne, auf die Leinwand)? Verdankt sich der glückliche Einfall dem Zufall, der Ausdauer, einer erwerbbaren Kompetenz? Oder etwa einer Eingebung, die ihm aus der historischen Tiefe oder gar von ganz oben zuteil wird? „Das Wort Inspiration besitze keinerlei Bedeutung, bemerkt T.S.Eliot, wenn es nicht einschließe, dass der Dichter in seinem Werk weit mehr aussage, als er beabsichtige und sogar als er selbst zu verstehen in der Lage sei“, schreibt Martin Mosebach und fügt hinzu: „Der Künstler kennt den seltenen, manchmal ohne Hoffnung ersehnten Augenblick, in dem etwas Fertiggewordenes vor ihm liegt, dessen Vollendung, wie er mit Gewissheit sagen kann, sich nicht seinen eigenen Kräften verdankt.“ (Mosebach: Als das Reisen noch geholfen hat, München 2011, 349f). Ziel der Reihe besteht unter anderem darin, das Gespräch zwischen den verschiedenen Kunstrichtungen zu befruchten und dem Publikum die Erfahrung zu vermitteln, dass Kunst nicht allein das Gemachte ist, sondern tiefere Wurzeln hat.
Angeregt durch die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Komponisten John Cage (1912-1992) Anfang der 1970er Jahre in München, Westberlin und Bremen, bei multimedialen Projekten von Josef Anton Riedl, Walter Bachauer und Hans Otte, und die Realisation der Cagestücke "The Wonderful Widdow", "She is asleep" und "Sonatas and Interludes" für präpariertes Klavier hat den damals 25jährigen PMH zu seiner eigenen Klavier-Präparation inspiriert.
Erstmals 1972 mit der Aufführung seines "Mandala" präsentiert, handelt es sich auch nach 40 Jahren immer wieder um eine freie Version dieses "work in progress", aufgeführt (fast) nur vom Komponisten selbst, stets ohne Noten, in einer Version, die vom Komponisten selbst nach festgelegtem Plan und genauer Determinierung der Tonhöhen realisiert wird.
Durch die Präparation des Flügels ergeben sich immer wieder neue Modulationen, je nach Eigenart und Beschaffenheit des Instrumentes.
Immer wieder kommen dabei andere, perkussionsartige Klänge zustande, obwohl die Präparation genau vorbestimmt ist: die Materialien (Gummi, Draht, Plastikbolzen) sind immer dieselben, auch die Tasten (der Modus, die Skala) und die Positionen auf den zu präparierenden Saiten sind immer die gleichen, ebenfalls die motivischen und thematischen Grundmuster.
Die Aufführung ist dennoch jedesmal neu und unwiederholbar, sozusagen "einmalig". Viel hängt da von der Atmosphäre des Raumes ab, von der Bereitschaft der Zuhörer und der
augenblicklichen Konstitution des Spielers. Dieser taucht in eine innere Haltung ein, die man als mediales Musizieren bezeichnen könnte. Der sogenannte "self performing artist" versucht sich dem kontemplativen, wachen Zustand des Spielen-Lassens anzunähern, schaut sich und seinen Händen zu, wie es "wie von selbst" spielt. Je nach Bereitschaft kann sich dieser Zustand innerer Gelassenheit auf einen inspirierten Hörer übertragen. Der Komponist setzt ein absichtsloses und unmittelbares Entstehen von Musik in Gang, eine Art von andauerndem kreativen Augenblick: den entschieden kommunikativen Zustand des Hier und jetzt für alle Zuhörer.