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  Die Kunst zwischen Freiheit und politischer Korrektheit.

Die Kunst zwischen Freiheit und politischer Korrektheit

Podiumsdiskussion mit Hanno Rauterberg (DIE ZEIT), Tina Uebel (Schriftstellerin) und Ulrich Waller (St. Pauli Theater)

Das Streben nach politischer Korrektheit treibt bisweilen merkwürdige Blüten. So berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass nach einem Erlass der schwedischen Universität Lund Hochschullehrer künftig angehalten sind, darauf zu achten, dass die in Seminaren verwendete Primär- und Sekundärliteratur zu wenigstens 40% von weiblichen Autoren stammt. Sicherlich gut gemeint, aber in der Praxis nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern – etwa bei Seminaren zum europäischen Faschismus – auch kaum möglich. „Es gibt einfach zu wenige weibliche Faschisten.“ Und es ist zu bedenken: „Eine rückwirkend beanspruchte Frauenquote bedeutet, dass alle Geschichte eine Spiegelung feministisch geprägter Gegenwart zu sein hat.“
Andererseits muss man doch Ungerechtigkeit bekämpfen – wo auch immer man ihr begegnet. Oder?

Auch in der Kunst ist die Tendenz erkennbar, Werke – aktuelle wie historische – auf ihre politische Korrektheit hin zu überprüfen und zu bewerten. Darf etwa ein Kinderbuch aus dem Jahr 1944 heute noch vorgelesen werden, auch wenn es von einer „Negerprinzessin“ berichtet? Oder muss es zuvor „sprachlich gesäubert“ werden?
Sollten Museen ihre Ausstellungen und Magazine auf die politische Korrektheit der Exponate hin durchforsten und sexistisch, rassistisch oder homophob anmutende Arbeiten entfernen – selbst wenn sie womöglich mehrere hundert Jahre alt und in ihrem historischen Kontext durchaus schlüssig sind? Ist die Besetzung schwarzer Rollen im Theater mit weißen Schauspielern weiterhin zu tolerieren? Dürfen weiße Maler schwarzes Elend malen? Sollten wir darauf achten, dass das Verhältnis der in den Museen gezeigten Arbeiten geschlechts- und hautfarbenspezifische Quoten erfüllt? Darf ein im Kino dargerstellter Neonazi über „Kanaken“ schimpfen? Und wer entscheidet das alles eigentlich?

Die Diskussion um die Selbstbeschränkung der Kunst im Hinblick auf ihre politische Korrektheit beschäftigt in diesen Tagen Viele.
Auffällig dabei: Waren es früher oft konservativ argumentierende Stimmen, die die Kunst in die Schranken des Bürgerlichen weisen wollten, sind es heute oft linke Aktivisten, die im Zuge des antirassistischen und antisexistischen Kampfes die Kunst auf Linie bringen wollen.