Hanjo Kesting: Ein bunter Flecken am Kaftan - Essays zur deutsch-jüdischen Literatur
Hanjo Kesting
liest aus seinem neuen Buch
Ein bunter Flecken am Kaftan - Essays zur deutsch-jüdischen Literatur
Eintritt: € 6,00 / erm. € 4,00
Wißt ihr, wie mir mein bißchen Bildung vorkommt? Da hab ich einen
bunten Flecken auf meinen Kaftan geheftet, aber ein deutscher Rock ist es nicht
geworden, schrieb der aus Galizien stammende Karl Emil Franzos um das Jahr
1900. Die kulturellen Ideale der deutschen Klassik, von Lessing, Goethe und
Schiller, hatten für Franzos zeitlebens eine quasi-religiöse Ersatzfunktion
- wie in der folgenden Generation für Victor Klemperer. Beide Autoren waren
typische Assimilationsjuden, die vergeblich darauf hofften, reales Judentum
und ersehntes Deutschtum zur Synthese bringen zu können.
Beide gehören sie in die Geschichte der schwierigen und verwickelten Beziehung
von Deutschen und Juden, die kulturell und literarisch so überaus ertragreich
war.
Siebzehn Autoren der "deutsch-jüdischen" Literatur hat Hanjo
Kesting essayistisch porträtiert: unter ihnen Theodor Lessing, Alfred Polgar,
Siegfried Jacobsohn, Erich Mühsam, Hermann Kesten, Wolfgang Hildesheimer
und Peter Weiss. Ohne Anspruch auf Systematik zu erheben, enthält das Gruppenbild
eine Vielzahl von inneren Bezügen und Leitmotiven. Am Anfang steht Ludwig
Börne, der "ferne Wegbereiter", der von Gottes großer Gnade
sprach, "zugleich ein Deutscher und ein Jude" zu sein; am Ende der
Ungar Imre Kertész als Repräsentant einer über ganz Europa
verstreuten, in vielen Sprachen geschriebenen "Holocaust-Literatur",
über die er sagte: Egal welche Sprache es ist, nie kann sie Muttersprache
sein.
Die Essays in Hanjo Kestings neuestem Buch sind für den Druck überarbeitete Fassungen der Einführungstexte zu seinen beliebten Hörfunksendungen "Am Morgen vorgelesen" und "Am Abend vorgelesen" im NDR.
Hanjo Kesting, geb. 1943, Studium der Philosophie, Geschichte
und Literatur in Köln, Tübingen und Hamburg.
Seit 1969 beim Norddeutschen Rundfunk. Von 1973 bis 2006 Leiter der Redaktion
Kulturelles Wort.
Gründete 1977 die Reihe Autoren lesen, 1981 das Kulturjournal Texte und
Zeichen. Zuletzt erschienene Bücher: "Theodor Fontane. Bürgerlichkeit
und Lebensmusik", Göttingen 1998 und "Nachlese. Essays zur Literatur",
Göttingen 2000. Seit 11.12.1995 Mitglied der Freien Akademie der Künste.
Publikationen zur Literatur und Musik: "Dichter ohne Vaterland" (1982);
"Richard Wagner: Briefe" (Hrsg., 1983); "Franz Liszt - Richard
Wagner: Briefwechsel" (Hrsg., 1988); "Das schlechte Gewissen an der
Musik." Aufsätze zu Richard Wagner (1991); "Das Pump-Genie. Richard
Wagner und das Geld" (1993). Anthologien zur russischen und englischen
Literatur. Herausgeber der Hörbücher der Deutschen Grammophon.